Alleinsein in der Einsamkeit – eine Kraftquelle?

Einsamkeit und Alleinsein wird oft als ein und dasselbe dargestellt. Die Wörter beschreiben das Fehlen von sozialen Beziehungen zu Freunden, Lebenspartner, Familie oder Arbeitskollegen. Für mich sind sie aber nicht das Gleiche.

Die unerwünschte Einsamkeit

Ich empfinde Einsamkeit als ein negatives Gefühl, das einen Mangel ausdrückt. Umgeben von Mitmenschen aus einem eigenen sozialen Umfeld kann ich mich je nach Situation auch einsam fühlen. Das Wort Einsamkeit stellt für mich eine Diskrepanz zwischen Gewünschtem und tatsächlichem dar.

Alleinsein als Notwendigkeit

Alleinsein hingegen ist für mich ein positives Gefühl und lediglich eine Zustandsbeschreibung. Ich bin mit mir selbst alleine, ohne Mitmenschen. Physisch und psychisch getrennt von den Ansprüchen und Bedürfnissen meines sozialen Umfeldes. Das Wort Alleinsein drückt nur die tatsächlichen Gegebenheiten aus. Alleinsein in der Einsamkeit kann zwei Gegebenheiten ausdrücken.

Fast niemand versucht, Alleinsein als angenehmes und positives Gefühl zu empfinden. Im Gegenteil, hinter dem Gefühl stecken oft Angst, Stress, Einsamkeit und eine große Unzufriedenheit. Doch am schlimmsten ist für die meisten Menschen Alleinsein in der Einsamkeit.

Alleinsein in der Einsamkeit

Einsamkeit hat nebst einem negativen Sinneszustand auch eine weitere Bedeutung. Das Wort steht ebenfalls für Einöde, Wildnis, Wüste oder einfach nur eine einsame Gegend.

Alleinsein macht mich glücklich. Alleinsein in der örtlichen Einsamkeit ist für mich das höchste der Gefühle. Offenbar ist das normwidrig aber für mich fühlt es sich gut an. Trotzdem bin ich nicht asozial. Ich freue mich jederzeit über Besuch von Familie, Freunden und Bekannten und suche meine Liebsten auch sehr gerne selber auf.

Einsam nach Zugehörigkeit streben

Sie fühlen sich im Alleinsein einsam, weil sie sich ständig mit anderen vergleichen und messen müssen, um sich selbst einzuschätzen. Ihre Mitmenschen erscheinen intelligenter, erfolgreicher, beliebter, sehen hübscher aus und besitzen wertvollere „Notwendigkeiten“. In der Gesellschaft einem Idealbild nachzustreben erscheint vielen wichtiger, als mit sich selber zufrieden alleine zu sein. Oft führt ein erfolgloses Streben nach Zugehörigkeit und Anerkennung zur negativen Abschottung. Die Betroffenen bemängeln und kritisieren sich selber und fühlen sich nicht liebenswert.

Ein erster Schritt in Das Alleinsein in der Einsamkeit im negativen Sinne… Dieselben Menschen glauben auch, unbedingt mit einem Partner leben zu müssen, um glücklich zu sein und sie empfinden Lob, Anerkennung und der Zuspruch anderer als unerlässlich. Glück erleben also die meisten Menschen fast nur in Gemeinsamkeit. Bin ich persönlich denn normwidrig, wenn ich Glück in erster Linie im Alleinsein in der Einsamkeit erlebe?

Der heilige „Midsommar“ in Schweden

Es ist Mitsommerabend, für die Schweden ein ebenso „heiliger“ Abend wie der 24. Dezember. Ich sitze alleine auf meiner Terrasse direkt am See und denke darüber nach, ob und wenn ja welche Rechte ich habe, um jetzt alleine zu sein und mich dabei glücklich zu fühlen. Niemand sollte an diesem heiligen Wochenende alleine sein. Wie gesagt, bist du einfach nicht alleine, wenn es jemanden gibt, mit dem du zusammen sein kannst. Ich will Alleinsein in der Einsamkeit.

Von meiner Terrasse habe ich freien Blick in den Hundezwinger, der Heimat meiner acht Huskies. In dieser Mittsommerzeit strahlt die Sonne auch nachts um 24 Uhr die Hunde an und verstärkt mein warmes Gefühl beim Anblick meines Rudels. Wini, das jüngste Mitglied, beobachtet mich und heult gute Nacht. Raschka kriecht in ihre Hütte, steckt nochmals den Kopf raus für einen letzten Blick zu mir. Einige liegen irgendwo unter einem Busch oder Baum im Auslauf und schlafen.

Der zu meiner anderen Seite liegender See ist tief schwarz und spiegelblank. Dahinter thront die goldene Mitternachtssonne königlich am Horizont. Ich geniesse diesen stimmungsvollen, behaglichen und friedlichen Moment mit offenem Herzen.

Darf ich glücklich sein im Alleinsein in der Einsamkeit?

Ich fühle mich glücklich und gleichzeitig unsicher, dass die anderen nicht wissen, wie oft ich tatsächlich alleine bin … Während heiligen Zeiten wie jetzt denken sie sicher, dass ich mit jemandem, einem Partner, Freund oder Freundin, Familienmitglied, Arbeitskollege oder sonstigen Mitmenschen zusammen bin. Oftmals freue ich mich spitzbübisch über ihr Unwissen, doch manchmal bin froh, dass sie denken, ich bin in Gesellschaft. Warum wohl? Ich habe keine Hemmungen, von der Norm abzuweichen. Warum ist es aber jetzt unter Mittsommer angenehm zu wissen, dass niemand glauben würde, dass ich alleine auf meiner schönen Terrasse sitze? Ich habe doch die Wahl selber getroffen, sogar an diesem „heiligen“ Abend alleine zu sein.

Alleinsein und die Gesellschaft

Nebst Einsamkeit ist auch Alleinsein heute eine Gegebenheit, die von der Gesellschaft als negativ wahrgenommen wird. Ist man trotzdem alleine, ist etwas fragwürdig und man gilt als Langweiler oder halb wertig. Die meisten Menschen suchen dauernd die Gesellschaft anderer, um Alleinsein zu vermeiden. Egal mit wem man zusammen ist, es ist besser als Alleinsein. Und Alleinsein in der Einsamkeit ist ein tabu. Können sie es nicht vermeiden und sind doch mal alleine, ist sofort das Mobiltelefon zur Hand als sozialer Ersatz, sie schalten den Fernseher oder das Radio ein oder den Computer an, damit sie sich nicht mit sich selbst beschäftigen müssen.

Die Freiheit des Alleinseins

Ich komme gut damit zurecht, dass mich jemand ablehnt, mich als langweilig betrachtet oder meine Schwächen erkennt. Ich sehe Alleinsein in der Einsamkeit als eine Art von Freiheit. Freisein vom Blick und der Beurteilung unserer Mitmenschen, von den Erwartungen und Erläuterungen wie man zu sein hat. Ich bin frei das zu tun, worauf ich wirklich Lust habe, ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer nehmen zu müssen. Ich habe die Freiheit, mich selbst ehrlich wahrzunehmen, über mich zu reflektieren und mich zu entwickeln.

Mein Leben ohne Partner zu leben ist einfach und bequem. Keine Sorgen, keine Verletzungen, keine Verpflichtungen und Wartungen, keine Zweifel, keine Unsicherheiten und allem voran keine Grenzen. An Gelegenheiten eine Partnerschaft einzugehen mangelt es nicht. Heute fehlt es mir aber am Willen, sowie an der Zeit und Energie, mich auf ein Zusammenleben einzulassen. Ich liebe mein Leben so wie es ist, alleine und frei.

Nachsatz

Einsamkeit hängt für mich nicht davon ab, ob ich alleine bin, sondern von der Einstellung, die ich zum Leben und meinem Umfeld habe. Wer sich einsam fühlt, sollte lernen, sich und das Alleinsein anzunehmen. Liebe und Partnerschaft sind nicht alles. Einsame Menschen können etwas gegen ihre Einsamkeit tun, ihre Einstellung ändern und lernen, sich selbst zu akzeptieren, ja, sich selbst zu lieben, mit allen Stärken und Schwächen. Das Ziel muss nicht für alle ein glückliches Alleinsein in der Einsamkeit sein.

„Liebst Du das Alleinsein nicht, liebst du auch die Freiheit nicht. Denn nur alleine bist Du frei.“